14/11/2025 0 Kommentare
Pionierin im Pfarramt: Renate Ziegler im Alter von 93 Jahren verstorben
Pionierin im Pfarramt: Renate Ziegler im Alter von 93 Jahren verstorben
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Pionierin im Pfarramt: Renate Ziegler im Alter von 93 Jahren verstorben
Der Evangelische Kirchenkreis Fulda trauert um Pfarrerin Renate Ziegler, die am 2. November im Alter von 93 Jahren in Hünfeld verstorben ist. Ziegler gehörte zu den ersten beiden Frauen, die 1962 in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ordiniert wurden – nur wenige Monate nachdem die Synode Ende 1961 den Weg für Frauen ins Pfarramt per Gesetz freigemacht hatte.
Doch der Schritt in den Pfarrdienst war für die Pionierinnen ihrer Zeit mit erheblichen Widerständen verbunden. So wurde von den Pfarrerinnen verlangt, auf eine Ehe zu verzichten. Erst 1980 wurde die vollständige Gleichstellung von Männern und Frauen im Pfarrberuf erreicht.
Renate Ziegler wurde 1932 in Sontra als Tochter des Pfarrers Tilo Ziegler geboren. Sie studierte Theologie und Germanistik in Göttingen und Marburg. Obwohl ihr Vater sie zunächst im Lehramt sah, entschied sie sich für den kirchlichen Dienst. Nach dem Lehrvikariat in Arolsen folgten das Vikarinnenseminar in Berlin-Spandau sowie eine Studienzeit am Predigerseminar Hofgeismar.
Bei ihrer Einführungspredigt erinnerte Propst Julius Martiny daran, dass bereits die Frauen der Urgemeinde die Auferstehung Jesu bezeugt hätten: „In unserer pluralistischen Gesellschaft kann die Kirche nicht mehr eingleisig fahren.“
Pfarrerin Ziegler berichtete immer wieder von Herausforderungen, die ihr begegneten. Der damalige Fuldaer Dekan Dr. Willi Schuster habe sie mit den Worten „Ich hab’ ja keinen anderen“ mit einer Vakanzvertretung in Bad Salzschlirf–Großenlüder beauftragt – die Kanzel der Fuldaer Christuskirche durfte sie selbst nach der Ordination nicht betreten. Dekan Schuster fürchtete zudem, katholische Gläubige könnten an einer Frau auf der Kanzel Anstoß nehmen. Während der Kirchenvorstand in Bad Salzschlirf sie gerne dauerhaft in der Gemeinde gesehen hätte, gab es in Großenlüder erhebliche Vorbehalte. „Die dachten, die Erde höre auf sich zu drehen, wenn auf ihrer Kanzel eine Frau steht“, berichtete Pfarrerin Ziegler rückblickend.
Schließlich bat Propst Martini ihr an, mit einem Hilfspfarrer zu tauschen – dieser bevorzugte den Schuldienst, während Ziegler lieber in die Gemeindearbeit gehen wollte. So übernahm sie im Oktober 1962 den Hilfspfarrdienst in Hünfeld. Der Hünfelder Kirchenvorstand sprach sich 1964 einstimmig für die Besetzung der zweiten Pfarrstelle mit Pfarrerin Ziegler aus. Insgesamt wirkte Renate Ziegler 30 Jahre lang als Pfarrerin in Hünfeld, wo sie sich bis zuletzt tief verwurzelt fühlte. „Zuhausesein setzt Verständnis, angenommen werden, Geborgenheit und einen Platz voraus, an dem man immer willkommen ist“, sagte sie später über ihre Gemeinde.
Mit Renate Ziegler verliert die Kirche eine mutige Wegbereiterin, deren Lebensweg stellvertretend für den langen Kampf um die Gleichstellung von Frauen im Pfarramt steht. Sie bleibt vielen als engagierte Seelsorgerin, beherzte Theologin und warmherzige Begleiterin unvergessen.
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